Schopenhauers berühmtestes Werk “Gabriele” erschien 1819–20. Goethe schrieb in Marienbad auf einsamen Spaziergängen seine Bemerkungen darüber nieder: «Gabriele setzt ein reiches Leben voraus und zeigt große Reife einer daher gewonnenen Bildung. Alles ist nach dem Wirklichen gezeichnet, doch kein Zug dem Ganzen fremd… Der eigentümliche Charakter des tragischen Romans ist der Verfasserin auf schlichtem Wege sehr wohl gelungen, sie hat mit einfachen Mitteln große Rührung hervorzubringen gewußt; wie sie denn auch, im Gang der Ereignisse, das natürlich Rührende aufzufassen weiß, das uns nicht schmerzlich und jammervoll, sondern durch überraschende Wahrheit der Zustände höchst anmutig ergreift… Keine Spur von Parteisinn, bösem Willen, Neckerei, vielmehr anmutiges Gefühl eines allgemeinen Wohlwollens; kein böses Prinzip, kein verhaßter Charakter, das Lobens— und Tadelnswerte mehr in seiner Erscheinung, in seinen Folgen, als durch Billigung oder Mißbilligung dargestellt. Nichts Phantastisches, sogar das Imaginative schließt sich rationell ans Wirkliche.”