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Wolf Kunert

Hannes oder Das fremde Land

Eine Zufallsbekanntschaft. Zwei Männer im fortgeschrittenen Alter. Was als Jugenderinnerungen beginnt, führt zu einem ungelösten, tiefen Konflikt. Wir alle sind unseres Glückes Schmied. Was aber, wenn wir nicht schmieden gelernt haben?

Dieses Buch ist keine Suche nach Schuld, sondern nach Ursachen tief empfundener Brüche im Leben eines Menschen.

Auszug:
«Hannes war ein Idiot. Das sind nicht meine Worte. Er selbst sagte das einmal über sich. Vielleicht nicht im pathologischen Sinne fügte er hinzu. Er gehöre eher zu den Unauffälligen seiner Art, schließlich dürfe er sich noch immer frei unter uns bewegen.
Im Grunde besaß Hannes sogar so etwas wie Charme, der ihn für die Mehrheit der Menschen in seiner Umgebung sympathisch erschienen ließ. Schon als Kind war er besonders bei älteren Damen recht beliebt. Sie schätzten ihn für seinen Respekt und die Höflichkeit, die er ihnen entgegenbrachte. Er versuchte sich bei ihnen beliebt zu machen, wie er es auch später bei seinen Schulkameraden und dann bei seinen Jugendfreunden tat. Das war seine Art, mit Menschen umzugehen. Aber er hatte von klein an ein Defizit.
Wir waren uns auf unseren Spaziergängen begegnet, Hannes und ich. Wir grüßten uns, wenn wir uns begegneten und eines Tages redeten wir dann miteinander über dieses und jenes. Belanglose Freundlichkeiten des Alltags. Hunde bringen Menschen zusammen. Sein Hund und meiner kannten und akzeptierten einander. Wenn die Vierbeiner sich mögen, können sich meistens auch deren Zweibeiner leiden. Schließlich haben nur gute Menschen, freundliche Hunde. Diesem kurz gegriffenen Schluss erlagen auch wir.
Beinahe wie von selbst ergab es sich, dass wir unsere Spaziergänge letztlich gemeinsam absolvierten. Während unsere Hunde ihr Revier schnüffelnd und markierend sicherten, redeten wir über Gott und die Welt. Wir beschnüffelten uns sozusagen nach Menschenart.
Wir waren beide im Rentenalter und konnten unsere Zeit nach Belieben einteilen. Eine der Segnungen unseres Alters. Hannes erklärte, ich neige zur Bequemlichkeit und würde wohl ohne den Hund, nicht so regelmäßig für Bewegung sorgen. Sport war nie wirklich meine Angelegenheit. Sehr zum Ärgernis meiner Tochter. Sie schimpft deshalb gelegentlich mit mir. Aber jeder lebt halt nach seinen Vorstellungen. Auch wenn es manchmal die Falschen sind und man darum weiß.»
198 printed pages
Copyright owner
Bookwire
Original publication
2024
Publication year
2024
Publisher
tredition
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