Fee Norden freut sich, als Sandra Meyer bei ihr in der Pädiatrie vorbeischaut. Sie kennt Sandra noch aus Daniels Zeit als Hausarzt. Die Familie Meyer gehörte zu Daniels großen Sorgenkindern. Das lag vor allem an Dieter Meyer, dem tyrannischen Familienoberhaupt, unter dessen Alkoholproblemen besonders seine Tochter zu leiden hatte. Als Sandra zehn Jahre alt war, verursachte ihr Vater im Vollrausch einen schweren Verkehrsunfall. Er nahm dem Wagen von Irina und Frank Schröder die Vorfahrt und beging anschließend Fahrerflucht. Die beiden Schwerverletzten überließ er ihrem Schicksal. Dass sie überlebten, verdankten sie nur dem Können ihrer Ärzte. Für die beiden Söhne der Schröders begann eine schwere Zeit. Beide Elternteile lagen im Krankenhaus, Frank hatte es besonders heftig getroffen. Er musste mehrfach operiert werden und leidet noch immer an den Spätfolgen. Plötzlich kommt es zu einer Begegnung zwischen Sandra und den Schröders.
Soll Sandra dafür büßen? Sandra mochte die Lobby der Behnisch-Klinik. Sie war weitläufig und erinnerte dank der lauschigen Sitzgruppen und der großformatigen Wandgemälde eher an das elegante Foyer eines großen Hotels. Über dem Empfangstresen hing eine Uhr. Sie sagte Sandra, was sie bereits wusste: Sie war viel zu früh dran. Bis zu ihrem Termin blieben ihr noch mehr als dreißig Minuten. Am Ende der Lobby begann eine schmale Ladenzeile mit einem Zeitungskiosk und ein paar kleineren Geschäften, an denen Sandra achtlos vorbeiging. Sie interessierte sich nur für die Cafeteria, die — versteckt hinter üppig wachsenden Kübelpflanzen — eine ruhige Oase inmitten des betriebsamen Treibens war. Sandra blieb in Höhe eines kleinen Blumenladens stehen. Von hier hatte sie einen guten Blick auf die Cafeteria und konnte sich so einen ersten Eindruck über ihren künftigen Arbeitsplatz verschaffen. Sandra hatte sich als Aushilfe im Service beworben und eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten. Für eine Studentin, die sich über jeden zusätzlichen Euro freute, war das der ideale Job. Die Arbeitszeiten waren flexibel und ließen sich gut mit ihren Vorlesungen an der Uni vereinbaren. Außerdem war die Bezahlung gut, und mit ein bisschen Glück kämen auch noch ein paar Trinkgelder dazu. Nach so einem Job hatte Sandra lange Ausschau gehalten — nun musste sie ihn nur noch bekommen. Sandra überlegte, ob sie bis zu ihrem Termin in der Lobby warten sollte, als ihr die vielen hübschen Sträuße im Schaufenster des Blumenladens auffielen. Sofort dachte sie an eine besondere Frau, die sich darüber sicher freuen würde. Nur Minuten später betrat sie den Fahrstuhl, um zur Pädiatrie hochzufahren. Dort lief ihr Schwester Gitta über den Weg. Gitta sah auf den Blumenstrauß in Sandras Händen.