Als ihr Mann Rüdiger sie verlässt, bricht für Roxanne eine Welt zusammen. In ihrem Schmerz ist sie nahezu handlungsunfähig und vernachlässigt sich und ihre 8-jährige Tochter Jennifer. Da holt ihr Vater, Alfred Konrads, sie zu sich nach Hause und versucht, sie wieder aufzubauen. Jennifer vermisst ihren Vater und leidet sehr unter den neuen Verhältnissen, die sie sich nicht erklären kann…
Fröstelnd zog die junge Frau die Schultern hoch und sah hinauf zu dem wolkenverhangenen Himmel. Der November ging langsam seinem Ende zu, und bald würde wohl der erste Schnee fallen. Hatte sie sich richtig entschieden, gerade diese Jahreszeit zu wählen, um für immer in die Heimat zurückzukehren? Camilla Drewes war eine attraktive junge Frau von sechsundzwanzig Jahren. Nach einem großen Streit hatte sie, als sie noch nicht ganz neunzehn gewesen war, ihren Vater und damit ihr Elternhaus verlassen und war zu Tante Hetty, einer entfernten Verwandten, nach Frankfurt gefahren. Bei Tante Hetty, die allein in der großen Stadt wohnte, hatte sie liebevolle Aufnahme gefunden. Auch als sie Tante Hetty nach ein paar Wochen gestanden hatte, daß sie ein Kind erwartete, fand sie viel Verständnis, denn sie hatte vor dem Streit mit dem Vater eine Beziehung beendet und wollte, auch des Kindes wegen, das sie erwartete, auf keinen Fall zurück. Thorsten wurde geboren, und er erinnerte sie mit jedem Tag, mit jeder Woche und mit jedem Jahr, das verging, an seinen Vater. Karsten, wie sehr und wie bedingungslos hatte sie ihn geliebt, und wie sehr war sie damals von ihm enttäuscht worden. Das Schlimmste war jedoch, daß Thorsten kein Kind wie alle anderen war. Er war nicht gesund. Ihren Jungen behinderte ein Hüftleiden, das bei der Geburt übersehen worden war. Ein Gebrechen, das ihn als einsames Kind aufwachsen ließ, denn vor allen Dingen Kinder konnten sehr grausam sein. Seine heile Welt waren nur sie, seine Mutter und Tante Hetty gewesen. Während Tante Hetty Thorsten über Tag versorgt hatte, hatte Camilla den Beruf der Krankenschwester erlernt und in einem Krankenhaus gearbeitet. Soweit hatte alles seinen gewohnten und geregelten Gang genommen, bis Tante Hetty ihr vor einiger Zeit gestanden hatte, daß sie über all die Jahre mit dem Vater in Verbindung gestanden hatte, und daß es ihm gesundheitlich nicht gerade gutging. Fast zwei Monate war das nun schon her, und Camilla hatte lange mit sich gekämpft, ehe sie sich dazu entschloß, in die Lüneburger Heide zurückzukehren. Das waren die Gedanken, mit denen sich Camilla beschäftigte, während sie langsam den oberen Mainkay entlangschritt. Sie zögerte, heim zu Tante Hetty zu fahren. Was würde die Gute dazu sagen, wenn sie von ihr erfuhr, daß sie mit Thorsten zurück in die Heide fahren wollte, um wieder in ihrem Elternhaus zu leben und für den Vater zu sorgen?