April. Die Geschichte einer Liebe
Erzählung von Joseph Roth,
gelesen von Michael von Dufving.
Es ist die erste Erzählung Joseph Roths, die herausragt aus den frühen Werken. "April. Die Geschichte einer Liebe", veröffentlicht 1925. In den 1920er Jahren hatte Roth etliche kleine Fingerübungen und Etüden verfasst, zunächst für Zeitschriften, dann aber auch schon für Buchausgaben. "April" ist eine solche pastorale, aber auch, wie es dem Thema gebührt, doppelbödige "Geschichte einer Liebe". Schon zuvor hatte Roth über Frauen geschrieben – einsame Frauen, alleinstehende, verlassene Frauen, Geliebte, Witwen, Mütter. Doch bei "April", dieser einerseits zarten, poetischen Erzählung, andererseits aber auch desillusionierenden Liebesgeschichte, ist der Blick geschärft auf das weibliche Geschlecht, aber auch auf die Zeitläufte gerichtet. Roth spielt in dieser Erzählung stilistisch unsentimental auf der Klaviatur der poetischen Sujets, erzählt in neusachlicher Knappheit und dann wieder mit expressionistischem Pathos. Er zeigt in dieser Geschichte, wie groß die Bandbreite seines erzählerischen Talentes ist. Die Figur des Erzählers ist ein assoziierender Flaneur. Mit wenigen Strichen zeichnet er Miniaturen, lässt Typen und Charaktere vor unseren Augen auferstehen: Den verschwitzten Kellner Ignaz, der lieber Politiker wäre, den würdigen Postdirektor, den vom Ehrgeiz zerfressenen Eisenbahnassistenten, der auch bei der Liebe seine rote Eisenbahnermütze im Blickfeld behält.
Eines Tages kommt ein Schriftsteller in eine Kleinstadt und beobachtet die Gewohnheiten und Lebensweisen der Einheimischen. In dem Hotel, in dem er logiert, arbeitet auch Anna, die ein uneheliches Kind von einem Mann hat, der sie sitzen gelassen hat. Anna und der Schriftsteller beginnen eine Liebesbeziehung. Von seiner Seite sind die Gefühle jedoch nicht stark genug für eine dauerhafte Bindung. Bald schon nennt sich der Erzähler "der Mann unterm Fenster", denn er verliebt sich in ein wunderschönes Mädchen, das täglich an einem Fenster sitzt und gelegentlich in den Himmel schaut. Am dritten Tagschenkt sie ihm ein Lächeln. Als er erfährt, dass sie die Tochter des Postmeisters ist, beginnt er unter einem Vorwand ein Gespräch mit dem Postbeamten, lenkt das Gespräch dann aber doch nicht auf die Tochter, was er im Nachhinein als eine verpasste Gelegenheit wahrnimmt. Anna weiß inzwischen von seiner platonische Liebe zu dem Mädchen am Fenster und erzählt ihm, dass sie sehr krank sei, schwindsüchtig und bald sterben müsse. Nun hält ihn erst recht nichts mehr in der Kleinstadt: Er glaubt, er würde sein Leben verschwenden, wenn er noch länger bliebe, und will sein Leben wieder in die Hand nehmen. Als er gerade mit dem Zug abreist, sieht er das Mädchen mit dem Eisenbahnassistenten auf dem Bahnsteig stehen und ihm nachblicken. Sie ist offensichtlich gesund, nicht schwindsüchtig und die Frau oder Verlobte des Bahnbeamten. Der Schriftsteller macht sich auf die lange Reise nach New York.
Coverabbildung: Reproduktion eines Freskos von Gustav Klimt "Die Umarmung"" aus dem Jahre 1905/1909. (Ausschnitt). (Werkvorlage zum Stocletfries). Erstdruck der Erzählung: J. H. W. Dietz Verlag, Berlin 1925. Coverschrift gesetzt aus der Fitzgerald. Schlussmusik: Commodo (Nr. 8) von Sergei Sergejewitsch Prokofjew.
Über den Sprecher:
Michael von Dufving, geboren 1968, stammt aus Hoyershausen /Niedersachsen, hat Kälberaufzucht und Produktionsassistenz gelernt, wurde 2005 in Philosophie promoviert. Diverse Essays, u.a. zu Hannah Arendt, Martin Heidegger und Jean-François Lyotard. Künstlerische Arbeit u.a. in Ausdruckstanz, Kurzgeschichten und Photographie. Ausbildung zum Sprecher bei Bettina Schinko. Mit diesem Hörbuch gibt Michael von Dufving sein Debüt als Literaturinterpret bei hoerbuchedition words and music.